Lilli Walzer & das Brettl

Manchmal, wenn ich vom Brettl herabsteige, spricht mich jemand an und dankt mir für diese Stunde der Heiterkeit, die zu bescheren ich imstande gewesen sei. Und warum man mich nicht häufiger sehen und hören könne und überhaupt, warum ich nicht die sogenannte "Karriere" gemacht habe. Ich hätte doch so eine "Ausstrahlung"!

Da gehe ich in mich und denke nach, was das eigentlich ist: "Ausstrahlung". In meiner Erinnerung taucht meine Schauspielschullehrerin Jolanthe Wührer auf, die mich nach meiner Darbietung der Schiller'schen Johanna tränenden Auges umarmte: "Walzerische, aus dir wird was!" Es waren Tränen der Heiterkeit, die zu diesem Monolog gar nicht paßten, aber da ich fühlte, daß die Wührer zwar nicht ergriffen war, aber scheinbar die Komikerin in mir erkannte, war ich nicht unglücklich. War es das, was sie in mir erkannte: "Ausstrahlung"? Nach der Abschlussprüfung schrieb sie in mein Poesiealbum: "Talent, Fleiß und Ausdauer sind die wichtigsten Faktoren unseres Berufes."

Es ist nichts geworden mit dem Theater??? Ich glaube, mir fehlen zwei von drei Hauptfaktoren: Fleiß und Ausdauer. Und des Talent? Ja mei.
Daß das Brett'l mein Leben geworden, das ist die pure Lust! Ich stehe da, lausche den ersten Akkorden des Pianisten und dann fährt sie in mich hinein: Die Lust, die Lust, diese Person zu sein, deren Geschichte ich erzähle. Durch das Piano klingt meine Stimme sogar wie Gesang, obwohl ich eher spreche. Ich schau auf die Leute, ob ich Augenpaare im Publikum erspähe, auf die das überspringt, was ich fühle.

Mein Weg: Ein typisch Österreichischer? Oder ist das mit dem "typisch Österreichischen" eine Legende? Dreimal haarscharf an der Chance einer Karriere vorbei?

Nummer 1: Leopold Lindtberg suchte für seinen "Jedermann" Komparsen. Diese sollten füllig und musikalisch sein. Die Auswahl fand am Schnürboden des Burgtheaters statt. Von einhundert Bewerberinnen sollten zwanzig ausgewählt werden. Ich mit dabei. Die Bewerberinnen waren nervös und krächzten. Nach der sechzehnten Bewerberin, die keinen Ton halten und keine korrekte Tonleiter singen konnte, war der Prüfer äußerst ungnädig. Ich fand das alles komisch und krächzte nicht. Ich vernahm meine Stimme glockenklar und rein. Aber vielleicht schrie ich ja in Wirklichkeit. Jedenfalls schrak der beleibte Prüfer auf, schrak so sehr auf, daß er vom Podest fiel, was allgemeine Heiterkeit hervorrief. So hat er die Ursache seiner Peinlichkeit - nämlich mich, gar nicht mehr angehört.

Nummer 2: Ich hatte irgendwann eine Ahnung, daß meine Zukunft vielleicht beim Kabarett liegen könnte und bewarb mich persönlich beim Wiener Simpel, der damals noch von dem "Altmeister" Karl Farkas geleitet wurde. Es war im Frühling und er empfing mich mit größter Liebenswürdigkeit. Zum Herbst wollte er mich engagieren. Es kam nicht dazu. Er verstarb rechtzeitig im Sommer.

Nummer 3: Während ich in der Kleinkunstszene Hamburgs und Umgebung bis hin nach Berlin Hohenschönhausen einige Erfolge feiern durfte, traf ich auch ab und zu "wichtige Herrn", genannt Manager. Sie alle waren mehr oder weniger entzückt bis hell begeistert von meinem Talent und sie alle, wirklich alle hatten versprochen, Lilli Walzer mit den Wiener Chansons "in Mode" zu bringen.
Was ist daraus geworden ?????
Heitere Stunden bei Wein, Mann und Gesang.
Und vielleicht: Die Philosophie aller Wiener Lieder: "Erst wenn's aus wird sein......"

O du mein Österreich

Im Jahr 1849 war im Theater an der Wien Premiere des Dialektmärchenspiels " 's Alraunerl " von Baron Kleßheim. Die Musik war von dem damaligen Theaterkapellmeister Franz von Suppé. Es war ein, na ja, es war ein Erfolg. Nur die Sängerin, das Fräulein Rudini hat Pech gehabt. Denn sie wurde bei ihrem Lied "Das Röserl" derart ausgepfiffen, daß sie über die erste Strophe nicht hinausgekommen ist. Diese erste Strophe ist so gegangen:

Dort wo die Schneeberg' stolz die Köpf' in'd Wolken tragn
akrat als müßten was dem lieben Himmel sagn,
dort wo das reinste Wasser aus die Quellen fließt
dort wo der Jagerbua die Gamseln obaschiaßt,
wenn er so oben steht, hoch auf der Felsenwand,
ja, das ist mein Österreich, das ist mein Vaterland,
das ist mein Österreich, mein Vaterland!

Das Lied ist bald in Vergessenheit geraten, bis einige Jahre später der Schauspieler Karl Treumann für sich ein Couplet gebraucht hat. Er hat im Archiv gestöbert und hat dieses Lied, das Röserl aus dem Alraunerl, gefunden. Er hat sich gedacht, das ist eigentlich eine ganz hübsche Melodie, da könnt' ich mir einen neuen Text drauf machen. Und so ist ein kritisch-satirisches Couplet entstanden. Man könnte fast sagen, ein Spottlied auf Österreich und seine erste Strophe ist so gegangen:

Dort wo jetzt fest und g'wiß a neue Ära ist
wo 's Licht der Freiheit strahlt die Zukunft rosig malt
wo nicht kanalisiert und schlecht gepflastert wird
wo im Finanz-Portefeulle ist of ka Kreuzer drin,
das ist mein Österreich, wo ich geboren bin,
ja das ist mein Österreich, wo ich geboren bin,
das ist mei' Vaterstadt, mei' liebes Wien.

Und auf einmal war's ein riesen Erfolg. In allen Straßen und Gassen von Wien hat man diese Melodie gepfiffen und gesungen und andere Volks- und Straßensänger haben sich die Melodie ausgeborgt, so zum Beispiel auch ein Herr Schifferl und ein Herr Amon. Eine ihrer Strophen ist so gegangen:

Dort wo die Leut' ein'm a ka Sechserl aufer trag'n
dort wo 's schon zwanzig Jahr an einer Kirchen bau'n,
dort wo die Ringstraßen net schöner sein mehr kann
mit einem Opernhaus, das kostet sieben Million'
wo's einen Tiergarten hab'n und keine Viecher drin,
ja das ist mein Österreich, wo ich geboren bin,
das ist mei' Vaterstadt, mein halbes Wien.

Und dann, dann ist auch wieder die erste ursprüngliche Strophe zu Ehren gekommen und aus "Das ist mein Österreich" wurde "O du mein Österreich". Zur Silbernen Hochzeit des Kaisers und der Kaiserin hat Baron Kleßheim neuere Huldigungsstrophen geschrieben. Und zum siebzigsten Geburtstag von Franz von Suppé konnte man in einer Wiener Zeitung lesen: "Dieses Lied wird immer häufiger zur Stärkung des patriotischen Bewußtseins herangezogen". Naja, der Patriotismus geht eben oft seltsame Wege: Dort wo am Heimatland man laßt kein gutes Haar, hat dieses Lied net g'falln, weil's patriotisch war, die Leut' haben 'pfiffen gar, weil's patriotisch war. Dort wo man's später hin hat neu textiert, der Text hat unser Wien beschimpft und kritisiert. Dann hat's das Publikum begeistert anerkannt:

Ja, das ist mein Österreich, das ist mein Vaterland
das ist mein Österreich, mein Vaterland!

Quelle: Programm "O du mein Österreich" Elfriede Ott / Hans Weigel / Wien 1963

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Lilli Walzer & Hugo Wiener

Der 1904 in Wien geborene Komponist, Kabarettist und Schriftsteller Hugo Wiener war neben Karl Farkas eine der schillerndsten Figuren im Wiener Kabarett „Simplicissimus“. „Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn“, „Aber der Novak lässt mich nicht verkommen!, Ich kann den Nowotny nicht leiden“ und viele andere Ohrwürmer stammen vom ihm.

Daß es die Musik ist, die sein Leben bestimmen sollte, dessen war sich Hugo Wiener schon sehr früh bewußt. Trotzdem schlug er sich nach dem Musikstudium zunächst als Schauspieler an verschiedenen Wiener Bühnen durch, bis er schließlich 1928 als Hausautor der Revue-Bühne „Femina“, für die er in zehn Jahren 65 Programme verfaßte, eine Anstellung fand. Nebenbei komponierte er bis 1938 noch mehrere Operetten. Kurz nach dem Einmarsch Hitlers im Frühjahr 1938 war Hugo Wiener zu einer Auslandstournee nach Südamerika engagiert, gemeinsam mit Cissy Kraner, die er damals erst flüchtig kannte. Im Exil kam man sich künstlerisch und privat näher und heiratete schließlich im April 1943. In der von beiden gemeinsam eröffneten Pianobar „Johnny’s Musicbox“ sang Cissy Kraner die ihr von ihrem Mann auf den Leib geschriebenen Chansons. Das Publikum bestand anfangs hauptsächlich aus österreichischen und deutschen Emigranten.

Nach dem Krieg, erst Ende der Vierzigerjahre, kehrten die beiden Künstler nach Wien zurück, um ihre bereits in Venezuela begonnene Karriere am „Simpl“ fortzusetzen. Die Zusammenarbeit mit Karl Farkas dauerte fünfzehn JahreHugo Wiener verfasste Komödien und Bearbeitungen bekannter Operetten und Musicals für Bühne und Fernsehen, schrieb Drehbücher und arbeitete zudem ständig an den ZDF-Sendereihen „Spaß mit Musik“, „Ein verrücktes Paar“ und „Traumland Operette“ mit. Seit 1972 schrieb er obendrein noch humoristische Bücher. Insgesamt hat Hugo Wiener über 100 Kabarettprogramme verfasst und etwa 400 Chansons geschrieben und vertont.

Es gibt Menschen, sinnierte Hugo Wiener einmal, die das Leben ernst nehmen. Das ist eine Dummheit. Wie kann man etwas ernst nehmen, von dem man nicht einmal weiß, wie es endet?

Für ihn endete es am 14. Mai 1993 im Alter von 89 Jahren:

Lilli Walzer & Tim Fischer

Tim Fischer entdeckte sie im Hamburger Schmidt-Theater!
Rainer Bielfeldt, Joe Luga und Sören Sieg ( LaLeLu ) griffen für sie in die Tasten!
Mit Rainer Bielfeldt, Tim Fischer, Cora Frost, Daniel Morgenroth und Hildegard Schmahl sang sie Chansons im Schmidt-Theater, in der Bremer Schauburg und in der Berliner Bar jeder Vernunft.

Tim Fischer und Lilli Walzer in der "Bar jeder Vernunft" in Berlin in dem Programm "Tim Fischer und Freunde" am 31. Januar 1995

Lilli Walzer & Hannelore Hoger


Hannelore Hoger mit Tochter Nina und Bruder Herbert

Hannelore Hoger ist eine vielseitige und wandlungsfähige Schauspielerin. Von 1972-1980 arbeitete sie mit Peter Zadek am Schauspielhaus Bochum. Ihr Repertoire umfaßt die großen klassischen und modernen Frauenrollen, in den 80er Jahren gehörten dazu die Titelrollen in Achternbuschs "Susn" und Botho Strauß "Kalldewey Farce". Als Filmschauspielerin wurde sie in Kinofilmen bekannt, die Geschichte machten: Unter der Regie von Alexander Kluge in "Die Artisten in der Zirkuskuppel - ratlos", "Die Patriotin" und "Deutschland im Herbst", unter Volker Schlöndorff in "Die verlorene Ehre der Katharina Blum". Wichtige Fernsehrollen u.a. in: "Tag für Tag" (Peter Beauvais), "Die Bertinis" (Egon Monk), "Marleneken" (Karin Brandauer) und "Die zweite Heimat" (Edgar Reitz). Für ihre Rolle als Kommissarin "Bella Block" erhielt Hannelore Hoger den Grimme-Preis in Gold , den RTL-Fernsehpreis "Goldener Löwe" und 1998 die "Goldene Kamera".
Am 31. Januar 2002 erhielt sie vom Hamburger Senat die "Senator-Biermann-Ratjen-Medaille".

 


Helga ( Lilli ) Walzer ist Österreicherin aus Innsbruck gebürtig und singt ihre Lieder wie eine Wienerin. Der Heurige, die schmalen Gassen und das Vorstadtmädel kommen bei ihr auf sehr persönliche Weise zum Ausdruck. Der viel zitierte Wiener Schmäh, ziemlich unbekannt im Norden, weht mit ihr an einer Wäscheleine über die Alpen. Küß die Hand, gnä' Frau.
Deine Hannelore ( Hoger )
24. März 2000